InselMagazin: Faszinierende Geschichte & Geschichten

Von Vulkanen und Arepas: Wie Teneriffa und Venezuela einander fanden
Manchmal zeigt sich Geschichte nicht in Zahlen oder Daten, sondern in Aromen, Klängen und Geschichten. Die Verbindung zwischen Teneriffa und Venezuela ist eine solche Geschichte – voller Sehnsucht, Musik und improvisierter Kochkunst. Vielleicht hast Du selbst schon ein Stück davon gekostet, ohne es zu wissen.
InselMagazin: Geschichte & Geschichten
Ein Stück Heimat im Gepäck: Kanarier in der Karibik
Stell Dir vor, Du verlässt Deine Insel. Nicht aus Abenteuerlust, sondern aus Notwendigkeit. Du hast Hoffnung im Herzen und ein paar Rezepte im Kopf – das war die Realität für viele Menschen von den Kanarischen Inseln, vor allem im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Tausende verließen Teneriffa auf der Suche nach einem besseren Leben – und viele fanden es in Venezuela.
Doch sie brachten mehr mit als nur Arbeitskraft. In den Vierteln von Caracas, Valencia und Maracaibo wurden plötzlich kanarische Lieder gesungen. Tänze, die einst auf Dorfplätzen unter Pinien getanzt wurden, fanden nun auf tropischen Festen statt – begleitet von Cuatro und Timple.
Die Kultur reiste mit – und blieb. Noch heute erinnert vieles in Venezuela an diesen Austausch, vor allem dort, wo das Alltägliche und das Kreative sich begegnen.
Wenn Tradition auf Tropen trifft – eine kulinarische Fusion
Eine meiner liebsten Geschichten dreht sich um die ersten Versuche, kanarische Gerichte mit venezolanischen Zutaten zu kochen. Stell Dir vor, Du willst Papas arrugadas machen, aber findest keine typischen Runzelkartoffeln. Oder Du vermisst Gofio, den gerösteten Getreidebrei, der auf den Kanaren fast alles verfeinert.
Die Antwort? Improvisation.
Die Auswanderer mixten das Vertraute mit dem Neuen – und erfanden dabei eine Küche, die es so vorher nicht gab. Arepas mit Thunfisch-Mojo-Füllung. Empanadas mit kanarischem Einschlag. Und immer wieder Gofio, das mit Bananen oder Zuckerrohrmelasse neu interpretiert wurde. So entstanden Rezepte, die noch heute in vielen Familien weitergegeben werden – auf beiden Seiten des Ozeans.
Vielleicht findest Du in der nächsten Areperia ja einen Hauch Teneriffa.
Mehr als Handel – Geschichten von Salz, Mut und Sehnsucht
Natürlich ging es auch um Wirtschaft. Teneriffa und Venezuela waren über viele Jahrzehnte wirtschaftlich eng verbunden. Zucker, Tabak, Wein, Kaffee – all das reiste über den Atlantik. Doch mit jeder Ware kam auch ein Mensch, eine Geschichte, eine Idee.
Die Segelschiffe, die Teneriffa verließen, waren nicht nur Transportschiffe – sie waren Brücken. Zwischen Welten. Zwischen Familien. Zwischen Vergangenheit und Zukunft. In den Häfen Teneriffas lauschten Händler und Fischer den Erzählungen der Heimkehrer. Von exotischen Früchten, fremden Dialekten, neuen Chancen. Und vielleicht wurde dort der Entschluss geboren, es selbst zu wagen.
Diese maritimen Verbindungen haben ganze Orte geprägt – und unzählige Leben verändert. Heute findest Du ihre Spuren in alten Seefahrerliedern, in Stadtarchiven, und manchmal auch in den Namen venezolanischer Familien, die eindeutig kanarischen Ursprungs sind.
Diese Brücke lebt weiter
Auch wenn heute andere Schiffe fahren und andere Wege genutzt werden – die Verbindung bleibt lebendig. In jeder Fiesta, in der plötzlich ein kanarisches Lied gespielt wird. In der Küche. Im Humor. Und in der Sprache, denn viele Ausdrücke aus dem kanarischen Spanisch haben ihren Weg ins venezolanische Vokabular gefunden.
Vielleicht hast Du Familie in Venezuela. Oder Freunde, die von dort stammen. Vielleicht warst Du selbst schon dort. Dann weißt Du: Diese Verbindung ist kein Kapitel der Geschichte – sie ist ein gelebtes Band. Und es wird weitergesponnen, Tag für Tag, Teller für Teller, Lied für Lied.
Kultur zum Anfassen
- Arepa
Ein runder, flach gedrückter Maisteigfladen – außen knusprig, innen weich. In Venezuela gehört die Arepa zum Alltag wie Brot zum Frühstück. Gefüllt wird sie mit allem, was das Herz begehrt: Fleisch, Käse, Avocado – oder, in der kanarischen Variante, mit Thunfisch und Mojo. - Gofio
Ein geröstetes Mehl aus Mais oder Getreide, das auf den Kanaren seit Jahrhunderten verwendet wird. Vielseitig, nahrhaft und ursprünglich ein „Arme-Leute-Essen“, ist Gofio heute Kult – ob im Joghurt, als Kloß oder in der Suppe. Auch in Venezuela wurde Gofio übernommen und kreativ weiterverwendet. - Timple
Ein kleines, gitarrenähnliches Zupfinstrument mit meist fünf Saiten. Der Timple ist das Herzstück vieler kanarischer Volkslieder und fand in Venezuela musikalische Verwandte – besonders in der ländlichen Musik. - Mojo
Eine würzige Soße, meist grün (mit Koriander) oder rot (mit Paprika oder Chili). Auf den Kanaren isst man sie traditionell zu Papas arrugadas. In Venezuela wurde Mojo in Füllungen und Marinaden weiterentwickelt – ein echter Geschmacksträger über Grenzen hinweg. - Cuatro
Ein kleines viersaitiges Saiteninstrument, das in der venezolanischen Musik allgegenwärtig ist. Es ähnelt der Ukulele und hat Wurzeln, die bis auf die spanische Kolonialzeit zurückreichen. In der Verbindung mit dem Timple entstanden spannende Fusionen beider Klangwelten.
Zeitleiste: Meeresbrücke zwischen den Welten
- Ende des 18. Jahrhunderts
Erste größere Auswanderungswellen von den Kanaren nach Lateinamerika, darunter auch nach Venezuela. Wirtschaftliche Not und politische Unruhe treiben viele zur Emigration. - 19. Jahrhundert
Verstärkter Handel zwischen Teneriffa und Venezuela. Kanarische Produkte wie Wein und Tabak finden Abnehmer in Südamerika – venezolanischer Kaffee und Kakao kommen auf die Inseln zurück. - 1900–1950
Die große Auswanderungszeit. In mehreren Wellen verlassen zehntausende Kanarier ihre Heimat. Venezuela wird für viele zur "zweiten Insel". - 1950er–1970er Jahre
Starke kulturelle Verschmelzung sichtbar: Musik, Sprache, Feste und Küche entwickeln Mischformen. Rückwanderer bringen venezolanische Einflüsse mit auf die Kanaren. - Ab den 1990er Jahren
Neue Generationen entdecken ihre „doppelte Herkunft“. Interkulturelle Projekte, Festivals und Familienbande pflegen die Verbindung. - Heute
Die Verbindung lebt weiter: durch Erinnerungen, Rezepte, Musik – und durch Menschen, die auf beiden Seiten des Atlantiks zuhause sind.
Rezepttipp: Arepas mit kanarischem Mojo-Thunfisch
Ein Klassiker der kulinarischen Fusion – einfach zuzubereiten und voller Geschmack. Perfekt als herzhafter Snack oder leichtes Abendessen.
Zutaten für 6 Arepas:
- 2 Tassen weißes Maismehl (z. B. Harina P.A.N.)
- 2,5 Tassen warmes Wasser
- ½ TL Salz
- Etwas Öl zum Braten
- Für die Mojo-Thunfisch-Füllung:
- 1 Dose Thunfisch (in Öl)
- 2 Knoblauchzehen
- 1 kleine grüne Paprika
- 1 Bund frischer Koriander
- 3 EL Olivenöl
- 1 EL Weißweinessig
- 1 Prise Kreuzkümmel
- Salz & Pfeffer nach Geschmack
Zubereitung:
- Maismehl mit Salz vermischen, Wasser langsam einarbeiten und gut kneten, bis ein geschmeidiger Teig entsteht. 10 Minuten ruhen lassen.
- 6 flache Teigbällchen formen. In einer Pfanne mit wenig Öl goldbraun anbraten, dann bei mittlerer Hitze ca. 10 Minuten garen – sie sollten außen knusprig und innen weich sein.
- Für die Füllung alle Zutaten (außer dem Thunfisch) im Mixer zu einer glatten Soße pürieren. Thunfisch abtropfen lassen und mit dem Mojo vermengen.
- Arepas seitlich aufschneiden, füllen – und genießen.
Tipp: Auch gebratene Bananenscheiben oder ein Klecks Gofio-Creme passen wunderbar dazu.
Weiterführende Informationen und Quellen (Auswahl)
- Carlos Acosta Sosa: La emigración canaria a Venezuela en el siglo XX
- Instituto Canario de Emigración: Studien zur Auswanderung und Rückkehrbewegung
- Museo de Historia y Antropología de Tenerife
- Fundación Canaria para la Emigración: Zeitzeugenberichte
- Celia Morales Ramírez: Sabores del Atlántico
- Zeitschrift Atlántico Cultural, Themenschwerpunkt 2022 zur Verbindung zwischen Kanaren und Venezuela
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